nochmal: dis-Dur (reine Stimmung und enharmonische Verwechslungen)

Begonnen von erich, Freitag, 20. Oktober 2017, 09:54

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erich

Ich komme nochmal auf das zurück, was unter dem Thema "dis-Dur" abgehandelt wurde.

Ich war gefragt worden, wie in meiner Notation, in Preetzise, dis-Dur notiert wird; heute würde ich antworten, so (siehe unten)

Wie sieht bei mir der Notentext dazu in Lilypond aus:
es'2 f' g' as' bes' c'' d'' es''
das ist aber doch es-Dur und nicht dis-Dur; ich könnte auch
dis'2 f' g' gis' ais' c'' d'' dis''
eingeben mit demselben Ergebnis.
Nach harms Diktion müsste ich
dis'2 eis' fisis' gis' ais' bis' cicis' dis''
eingeben und das lässt sich auch so einrichten; dafür sah ich aber keine Notwendigkeit.

Worauf ich hinaus will, ist die Frage nach dem akustischen Unterschied in reiner Stimmung zwischen es-Dur und dis-Dur.
Die Antwort lautet: der Unterschied beträgt -1.86 cent; er ist also nicht hörbar!

Wie kommt man darauf: man hat die Gleichung
135/128 * 135/128 * Q = 10/9
nach Q aufzulösen: Q = 0.998927 ~ -1.858611 cent

Mit ↓ und ↑ als Versetzungszeichen für das syntonische Komma haben wir die beiden Darstellungen in reiner Stimmung

E♭-Dur: E♭ F   G↓  A♭ B♭  C↓ D↓  E♭
D♯-Dur: D♯ E♯↑ F♯♯ G♯ A♯↑ B♯ C♯♯ D♯


Übereinander stehende Töne unterscheiden sich also nur um 2 cent; sie können also als akkustisch identisch angesehen werden.
Für die Eingabe in Preetzise kann man also auch
dis'2 f' g' gis' ais' c'' d'' dis''
schreiben.

Ich schreibe das auch, weil ich in der Harmonielehre von Diether de la Motte das Folgende gelesen hatte:
ZitatSo verschieden die Berechnungen [der Ferquenzen der Töne] auch waren: Gemeinsam war ihnen, daß die schwarzen Tasten nur als Cis, Es, Fis Gis und B eingestimmt wurden. Des, Dis, Ges, As und Ais waren also unbrauchbar.

Mit anderen Worten: Cis und Des, Dis und Es, Fis und Ges, Gis und As sowie Ais und B sollten nicht verwechselt werden. Nach meiner Überlegung darf man also in reiner Stimmung durchaus Dis mit Es und Gis mit As gleich setzen. Unbrauchbar sind also nur Des, Ges und Ais auf einer rein gestimmten Orgel. Es könnte jedoch sein, dass de la Motte meint, dass Dis und As nicht in alten Noten auftreten.

Gruß allen
Erich

harm6

Hallo Erich,

laut wikipedia ist der Unterschied einer reinen Quinte zur temperierten Quinte 1,9550 Cent.
Diesen Unterschied höre ich.
Ob ich -1.858611 cent nicht mehr wahrnehme bezweifel ich deshalb.

Tatsächlich geht das alles aber völlig am Thema vorbei.

Selbst wenn wir die gleichmäßig temperierte Skala annehmen, bei der es und dis ja akustisch tatsächlich identisch sind so ist die große Terz auf dis nun mal fisis und nicht g.
g wäre in Relation zu dis die verminderte Quarte.

Sofern wir über dur-moll-tonale Musik sprechen.

Große Terzen sind
d - fis
dis - fisis
disis - fisisis
disisis - fisisisis

Auch mit temperierter Stimmung.

Sofern wir über dur-moll-tonale Musik sprechen.


Gruß,
  Harm

morgon

Hallo,

tut mir leid wenn ich mich in einen Thread einmische den ich vermutlich nicht mal verstehe (bin kein Musiker), aber das interessiert mich....

harm6 schreibt von einer "gleichmässig temperierten Skala". Was ist das?

Meinem Verständnis nach gibt es mehrere temperierte Skalen und genau eine gleichmässige Skala (also eine in der das Frequenzverhältnis eines Halbtonschrittes die zwölfte Wurzel aus 2 ist).

Eine Kombination von "gleichmässig" und "temperiert" macht für mich daher keinen Sinn. Durch das Prädikat "gleichmässig" ist die Skala eindeutig definiert. Eine gleichmässig temperierte Skala ist also einfach eine gleichmässige Skala - fertig. Oder verstehe ich da was nicht?

Aber wenn ich nun von einer gleichmässigen Skala ausgehe sind nicht nur es und dis identisch, sondern eben auch fisis und g.

Summa summarum verstehe ich also den Punkt den harm6 macht in keiner Weise .... (was vermutlich an mir liegt).

Könnte mir das nochmal jemand erklären oder mir einen Tip geben wo man das nachlesen kann?

Danke!

erich

Hallo allen

In der Literatur über den Quintenzirkel findet man den Umschlag von 6 Kreuzen zu 6 Bes also die enharmonische Verwechslung von fis-Dur und ges-Dur.
Worauf ich Aufmerksam machen wollte, ist, dass beim Übergang von dis-Dur zu es-Dur in reiner Stimmung ein "Fehler" von nur 1.8 cent auftritt. Hingegen beträgt der "Fehler" beim Übergang von ges-Dur zu fis-Dur 19.6 cent (das syntonische Komma macht einen Unterschied von 21.5 cent)


@harm
ZitatOb ich -1.858611 cent nicht mehr wahrnehme bezweifel ich deshalb.

Hier geht es nicht um die Wahrnehmbarkeit zweier gleichzeitig dargebotener Töne.

Für die Beurteilung der Wahrnehmung zweier gleichzeitig dargebotener Töne taugt eine Angabe in cent überhaupt nicht, denn diese hängt von der Frequenzdifferenz der dargebotenen Töne ab.
Bei 400 Hz und einer Abweichung von 1.86 cent beträgt die Frequenzdifferenz 0.43 Hz. Man müsste also beim gleichzeitigen  Erklingen beider Töne eine Schwebung (An- und Abschwellen) von etwa 2 Sekunden hören. Bei 992 Hz beträgt die Schwebung etwa 1 Sekunde.

@morgon
die Seite finde ich informativ: http://www.klavier-stimmen.de/klavier-stimmen.html

Grüß' euch alle
Erich

harm6

#4
Hallo morgon.
Zitat
tut mir leid wenn ich mich in einen Thread einmische den ich vermutlich nicht mal verstehe (bin kein Musiker), aber das interessiert mich....
Du kannst jederzeit und in jedem thread posten, fragen, Deine Meinung sagen, etc, etc. Wenn irgendetwas unklar/falsch/mißverständlich ist solltest Du. Irgendeine Art der Entschuldigung ist wirklich nicht nötig. Wir führen ja kein Privat-Gespräch. ;)

Zitat
Meinem Verständnis nach gibt es mehrere temperierte Skalen und genau eine gleichmässige Skala (also eine in der das Frequenzverhältnis eines Halbtonschrittes die zwölfte Wurzel aus 2 ist).

Eine Kombination von "gleichmässig" und "temperiert" macht für mich daher keinen Sinn. Durch das Prädikat "gleichmässig" ist die Skala eindeutig definiert. Eine gleichmässig temperierte Skala ist also einfach eine gleichmässige Skala - fertig. Oder verstehe ich da was nicht?
Der wikipedia-Artikel zu "Gleichstufige Stimmung" beginnt mit
Zitat von: Wikipedia
Gleichstufige Stimmung (auch gleichstufig temperierte Stimmung) ist die Bezeichnung für ein Stimmungssystem, das eine Oktave in zwölf gleich große Halbtonschritte von 100 Cent unterteilt. Andere Bezeichnungen sind: gleichtemperierte/gleichschwebende Stimmung oder gleichschwebende Temperatur. [1] Die umgangssprachlich oft verwendete Bezeichnung temperierte Stimmung ist zu ungenau, da die Gleichstufigkeit nur eine mögliche Art ist, Intervalle zu temperieren.
Ich hätte also besser von gleichstufig temperierter Skala geschrieben.

Eigentlich geht es um die fundamentale Nomenklatur. Also wie benennt man Töne eines Intervalls, eine (Dur-)Dreiklangs, einer (Dur-)-Tonleiter, etc.

ZitatAber wenn ich nun von einer gleichmässigen Skala ausgehe sind nicht nur es und dis identisch, sondern eben auch fisis und g.
Nein!
Sie sind nicht identisch, bestenfalls kann man (bei gleichstufiger Temperatur) von akustisch identisch sprechen, bzw enharmonisch verwechselbar sprechen.

ZitatKönnte mir das nochmal jemand erklären oder mir einen Tip geben wo man das nachlesen kann?
Das ergibt sich aus jeder allgemeinen Musiklehre.

Z.B. einen C-Dur Akkord als bestehend aus den Tönen c fes fisis anzugeben ist einfach nur falsch.

Allerdings ist unsere musikalische Nomenklatur in Wechselwirkung mit der Entwicklung unserer europäischer Musik entstanden und weiter entwickelt worden.
Sie stößt an Grenzen bzw läßt sich nur mit Schwierigkeiten auf Musik anwenden, die die Jahrhunderte lang gepflegte Dur-moll-tonale Musik hinter sich läßt, wie z.B. Atonalität, Dodekaphonie. Aber auch außereuröpäische Musik mit zum Teil anderen Untereilungen der Oktave mit unserer Nomenklatur zu benennen und mit unserer tradierten Notation aufschreiben zu wollen ist problematisch.

Insoweit gab und gibt es Versuche andere Notationsformen zu entwickeln, Erichs Preetzise ist solch ein Notationssystem.
Meine Kritik zielt nicht so sehr auf Preetzise an sich, sondern setzt dort an wo diese Notation Dur-moll-tonale Musik aufschreibt, aber unzulässigerweise die Nomenklatur für Dur-moll-tonale Musik mißachtet.


Gruß,
  Harm


erich

Hallo harm,


Insoweit gab und gibt es Versuche andere Notationsformen zu entwickeln, Erichs Preetzise ist solch ein Notationssystem.
Meine Kritik zielt nicht so sehr auf Preetzise an sich, sondern setzt dort an wo diese Notation
Dur-moll-tonale Musik aufschreibt, aber unzulässigerweise die Nomenklatur für Dur-moll-tonale
Musik mißachtet.


Deiner Kritik liegt meines Erachtens ein Misverständnis zugrunde: Preetzise ist eine Notation und als solche ein Zeichensystem wie mathematische Formeln.

Mathematik ist eine Kreidewissenschaft, d.h. man kann sich nur unter zuhilfenahme einer Wandtafel oder Vergleichbarem unmittelbar verständigen. Donald E. Knuth hat 1983 TeX veröffentlicht und uns dadurch in die Lage versetzt bequem Mathematik schriftlich kommunizieren zu können. Keiner käme aber auf die Idee den Tex-Code (LaTeX-Code) als die gemeinte Mitteilung aufzufassen sondern die daraus erzeugte Darstellung.

Die Frage, "wie notierst du dis-Dur in Preetzise?" hat zur Anwort die eingangs angegebene Darstellung, also das Notenbild. (vergleichbar der mathematischen Formel)
Wie ich zu dieser Darstellung mithilfe von Lilypond komme beantwortet sich strukturell so, wie ich in TeX ( LaTeX) eine Formel codiere.
Wenn ich zur Codierung in Preetzise die herkömmlichen Notennamen verwende, ist das allenfalls ein mnemotechnische Hilfe. Zur Vermeidung der damit verbundenen Irritationen hatte ich zur Codierung de statt dis bzw. statt es vorgesehen. Das hatte dann aber die Frage nach dis-Dur provoziert.

Herzlichen Gruß
Erich

Malte

Zitat von: erich am Freitag, 20. Oktober 2017, 09:54
Worauf ich hinaus will, ist die Frage nach dem akustischen Unterschied in reiner Stimmung zwischen es-Dur und dis-Dur.
Die Antwort lautet: der Unterschied beträgt -1.86 cent; er ist also nicht hörbar!

Wie kommt man darauf: man hat die Gleichung
135/128 * 135/128 * Q = 10/9
nach Q aufzulösen: Q = 0.998927 ~ -1.858611 cent
Hm ... wie kommst du ausgerechnet auf diese Gleichung? Ich schau jetzt mal auf das Intervall dis–es.

• Q = ,,d–e" − (,,d–dis" + ,,es–e").
• 135/128 ist einer der üblichen chromatischen Halbtöne, nämlich ,,3 Quinten + 1 große Terz − 2 Oktaven".
• 10/9 ist der kleine Ganzton, also ,,1 Oktave + 1 große Terz − 2 Quinten".
• Damit ergibt sich Q = ,,(1 Oktave + 1 große Terz − 2 Quinten) − (6 Quinten + 2 große Terz − 4 Oktaven" = ,,5 Oktaven − 1 große Terz − 8 Quinten".
• Q = 32768 / 32805, also −1,95 ct.

Das wirkt einfach so hingestellt ohne weitere Erklärung schon ziemlich willkürlich. Üblicher sind folgende drei dis-es-Intervalle:

• Das pythagoreische Komma. 7 Oktaven − 12 Quinten. Q = 524288 / 531441, also −23,46 ct.
• Die große Diesis. 4 kleine Terzen − 1 Oktave. Q = 648 / 625, also +62,57 ct.
• Die kleine Diesis. 1 Oktave – 3 große Terzen. Q = 128 / 125, also +41,05 ct.

Deshalb frag ich mich, wie du auf deine andere Herleitung kommst? Ist das einfach die, die am besten deine Position unterstützt?

Edit: Inzwischen hab ich deine nächste Antwort auch gelesen und möchte dazu auch noch was sagen.
Zitat von: erich am Samstag, 21. Oktober 2017, 09:43
In der Literatur über den Quintenzirkel findet man den Umschlag von 6 Kreuzen zu 6 Bes also die enharmonische Verwechslung von fis-Dur und ges-Dur.
Worauf ich Aufmerksam machen wollte, ist, dass beim Übergang von dis-Dur zu es-Dur in reiner Stimmung ein "Fehler" von nur 1.8 cent auftritt. Hingegen beträgt der "Fehler" beim Übergang von ges-Dur zu fis-Dur 19.6 cent (das syntonische Komma macht einen Unterschied von 21.5 cent)

Wenn du dich auf den Quintenzirkel berufst, dann liegt es ja nahe, in reinen Quinten zu denken, also wäre oben das pythagoreische Komma zu wählen.

Allerdings berufst du dich gleichzeitig anscheinend auch auf ,,die" reine Stimmung. Und ganz einfach: Die gibts nicht. Punkt. Du gehst offenbar von einer speziellen ,,reinen" Stimmung aus. Vielleicht von einer, in der dis und es möglichst nah zu C-Dur stehen? Nein, denn es wäre da 6/5 und dis wäre ,,Quinte + zwei große Terzen − Oktave" = 75/64, also wäre dis–es damit die große Diesis 128/125. Das stärkt meine Vermutung, daß du dir einfach eine ,,möglichst gleichstufige" Konstruktion für das Intervall dis–es gesucht hast, was ich für eine ehrliche Diskussion fragwürdig finde. Aber vielleicht irre ich mich auch und es steckt was anderes dahinter?

harm6

Zitat von: erich am Samstag, 21. Oktober 2017, 15:32
Hallo harm,


Insoweit gab und gibt es Versuche andere Notationsformen zu entwickeln, Erichs Preetzise ist solch ein Notationssystem.
Meine Kritik zielt nicht so sehr auf Preetzise an sich, sondern setzt dort an wo diese Notation
Dur-moll-tonale Musik aufschreibt, aber unzulässigerweise die Nomenklatur für Dur-moll-tonale
Musik mißachtet.


Deiner Kritik liegt meines Erachtens ein Misverständnis zugrunde: Preetzise ist eine Notation und als solche ein Zeichensystem wie mathematische Formeln.

Mathematik ist eine Kreidewissenschaft, d.h. man kann sich nur unter zuhilfenahme einer Wandtafel oder Vergleichbarem unmittelbar verständigen. Donald E. Knuth hat 1983 TeX veröffentlicht und uns dadurch in die Lage versetzt bequem Mathematik schriftlich kommunizieren zu können. Keiner käme aber auf die Idee den Tex-Code (LaTeX-Code) als die gemeinte Mitteilung aufzufassen sondern die daraus erzeugte Darstellung.

Die Frage, "wie notierst du dis-Dur in Preetzise?" hat zur Anwort die eingangs angegebene Darstellung, also das Notenbild. (vergleichbar der mathematischen Formel)
Wie ich zu dieser Darstellung mithilfe von Lilypond komme beantwortet sich strukturell so, wie ich in TeX ( LaTeX) eine Formel codiere.
Wenn ich zur Codierung in Preetzise die herkömmlichen Notennamen verwende, ist das allenfalls ein mnemotechnische Hilfe. Zur Vermeidung der damit verbundenen Irritationen hatte ich zur Codierung de statt dis bzw. statt es vorgesehen. Das hatte dann aber die Frage nach dis-Dur provoziert.

Herzlichen Gruß
Erich


Die Art und Weise wie Preetzise Musik darstellt ist eine Sache, wems gefällt soll es nutzen.

Aber Du hattest beim Dis-Dur-Bild als markup die Notennamen
dis f g gis as c d dis
angegeben.
https://lilypondforum.de/index.php/topic,116.msg764.html#msg764

Was einfach haarsträubend ist. Deine Argumentationen bzgl Frequenzverhältnisse, Stimmungssysteme, etc gehen schlichtweg am Thema vorbei.
Wenn wir von Dis-Dur reden so reden wir von tonaler Musik. Dort gilt die tradierte Nomenklatur.
Ich begreife nicht wie man überhaupt darüber diskutieren kann wie die Töne von Dis-Dur heißen.


Gruß,
  Harm


ingmar

Ach Leute,

diese von Erich protegierte Notationsform ist doch ganz offensichtlich erfunden, um eben den Unterschied zwischen es und gis verschwinden zu lassen! Da sind Diskussionen um eben diesen Unterschied doch nicht zielführend! Für Zusammenhänge, wo dieser Unterschied irgendeine Rolle spielt, ist diese Notation nicht gedacht und schlicht ungeeignet.

Ich kann beim besten Willen nicht nachvollziehen, warum hier seitenlang diskutiert wird - über Themen wie Stimmungssysteme und musikalische Orthographie. Das sind Themen, die mit LilyPond nichts tun haben und denen sich diese von Erich propagierte Notation kurzerhand entzieht. Ich halte das Ganze für müßig, reine Zeitverschwendung und sowieso gewaltig für off topic. Wozu die Aufregung?

Gruß,
--ingmar

erich

#9
Hallo Malte, hallo allen,

Zitat von Malte:
Zitat
Zitat von: erich am Freitag, 20. Oktober 2017, 09:54

    Worauf ich hinaus will, ist die Frage nach dem akustischen Unterschied in reiner Stimmung zwischen es-Dur und dis-Dur.
    Die Antwort lautet: der Unterschied beträgt -1.86 cent; er ist also nicht hörbar!

    Wie kommt man darauf: man hat die Gleichung
    135/128 * 135/128 * Q = 10/9
    nach Q aufzulösen: Q = 0.998927 ~ -1.858611 cent

Hm ... wie kommst du ausgerechnet auf diese Gleichung? Ich schau jetzt mal auf das Intervall dis–es.

c-Dur in reiner Stimmung lautet:
C   D    E     F   G    A   B     C
9/8 10/9 16/15 9/8 10/9 9/8 16/15

die untere Zeile ist die Folge der Frequenzverhältnisse aufeinander folgender Töne.
siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Reine_Stimmung

Zu g-Dur kann man übergehen, indem man zunächst bei G beginnt
G    A   B     C   D    E     F   G
10/9 9/8 16/15 9/8 10/9 16/15 9/8

Damit man dieselbe Folge von Frequenzverhältnissen wie bei c-Dur erhält,
- muss man A um das syntonische Komma (↑), also um 81/80 erhöhen
G              A↑             B     
(10/9)*(81/80)  (9/8)*(80/81)
= 9/8            = 10/9

- muss man F um 135/128 zu F# erhöhen,
E                 F#               G
(16/15)*(135/128)  (9/8)*(128/135)
  = 9/8              = 16/15

so erhält man g-Dur:
G    A↑    B     C   D    E   F#     G
9/8   10/9 16/15 9/8 10/9 9/8  16/15


Zu f-Dur kann man übergehen, indem man mit
F   G    A   B     C   D    E     F
9/8 10/9 9/8 16/15 9/8 10/9 16/15

beginnt und dann
- B in Bb korrigiert:
A               Bb                 C
(9/8)*(128/135)   (16/15)*(135/128)
  = 16/15           = 9/8

- und D in D↓
C             D↓              C
(9/8)*(80/81)  (10/9)*(81/80)
  = 10/9         = 9/8


so erhält man für f-Dur
F   G    A     Bb   C    D↓   E     F
9/8 10/9 16/15  9/8 10/9  9/8  16/15


Die Alterationen nach oben und nach unten werden also durch 135/128 bzw. durch 128/135 bewirkt,

Um das Frequenzverhältnis des Intervalls (dis,es) zu bestimmen, gehe man vom Intervall (d,e) aus, dessen Frequenzverhältnis 10/9 ist
Sei Q das Frequenzverhältnis von (dis,es), dann kommt man zu der Gleichung 10/9 = 135/128 * Q * 135/128 ,
entsprechend den Übergängen (d,dis),(dis,es) und (es,e)
Die Gleichung kann umgeformt werden zu
Q = (10/9)*(128/135)*(128/135) = 0.998927 ~ 1.858611 cent

Gruß
Erich

Malte

Zitat von: ingmar am Samstag, 21. Oktober 2017, 22:32
Ich kann beim besten Willen nicht nachvollziehen, warum hier seitenlang diskutiert wird - über Themen wie Stimmungssysteme und musikalische Orthographie. Das sind Themen, die mit LilyPond nichts tun haben und denen sich diese von Erich propagierte Notation kurzerhand entzieht. Ich halte das Ganze für müßig, reine Zeitverschwendung und sowieso gewaltig für off topic. Wozu die Aufregung?
Deshalb steht dieses Thema unter ,,allgemeine Diskussion", wo LilyPond-unabhängige Themen hingehören ;) Keiner muß hier mitlesen; allerdings kann ich verstehen, daß der Eindruck entsteht, daß diese Diskussion nicht sonderlich fruchtbar ist, weil sich beide Parteien kaum von ihrer eigenen Position entfernen.

Zu Erichs letztem Beitrag: Hier gibts zwei grundsätzliche Fehler in der Argumentation.

  • Du redest immer noch von ,,der" reinen Stimmung, die es nicht gibt. Der Witz an reiner Stimmung ist ja gerade, daß möglichst alle Intervalle rein sind, was sofort bedeutet, daß kein Ton eindeutig festgelegt ist. Z. B. nimmst du für deine letzten Schritte der Berechnung für d–e den kleinen Ganzton an; genauso gut kann d–e aber ein großer Ganzton sein. Ebenso kann das Intervall dis–es eben verschiedenste Größen haben, von denen ich vier (wenn man deine mitzählt) oben aufgezählt habe.
  • Angenommen, es gäbe ,,die" reine Stimmung. Dann kannst du nicht einfach davon ausgehen, fis–ges und dis–es wären gleich große Intervalle.
Meine Frage
ZitatHm ... wie kommst du ausgerechnet auf diese Gleichung?
meinte nicht, welche Zwischenschritte du verwendet hast, sondern warum du dich für diese Variante entschieden hast statt eine der anderen. Im Moment gehe ich noch davon aus, daß du einfach eine für deine Argumentation möglichst passende Variante gewählt hast.

off-topic: Ich wäre dafür, daß wir in deutschsprachigen Notennamen kommunizieren.

erich

Hallo allen

Ich schrieb:
Zitat

c-Dur in reiner Stimmung lautet:
C   D    E     F   G    A   B     C
9/8 10/9 16/15 9/8 10/9 9/8 16/15

die untere Zeile ist die Folge der Frequenzverhältnisse aufeinander folgender Töne.
siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Reine_Stimmung

Damit habe ich eine Quelle genannt, auf die ich mich beziehe. Darin steht:
ZitatIn der mehrstimmigen Musik ist das Ideal der reinen Stimmung bis zum heutigen Tag in Gesangsensembles, Chören sowie Ensembles mit Blas- und Streichinstrumenten weit verbreitet. In Chorgesangschulen wird schon seit fünf Jahrhunderten auf das Hören von Tonhöhenunterschieden unterhalb des Halbtonschritts geachtet, um reine Akkorde zu erreichen. Wie richtig intoniert werden kann – nicht nur ,,etwas höher" oder ,,etwas tiefer" – wird mit Hilfe der Theorie der reinen Stimmung exakt erklärt.

Ich wiederhole:
Wie richtig intoniert werden kann [ ...] wird mit Hilfe der Theorie der reinen Stimmung exakt erklärt.


Ich verstehe nicht, wieso mir subkutan  Unredlichkeit vorgehalten wird.

Gruß
Erich

Malte

Du meinst, indem ich sage, daß es nicht ,,die" reine Stimmung gibt? Der Artikel selbst gibt einen Hinweis, aber vielleicht hätte ich das deutlicher machen sollen, sorry.

Was ich meinte: Es gibt keine Stimmung von zwölf Tönen, die als ,,die" reine bezeichnet werden kann. Das hat den ganz einfachen Grund, daß man eben nicht alle Intervalle rein kriegt. Aus dem selben Artikel, nur einen Absatz später:
ZitatDeshalb kann bei Tasteninstrumenten die reine Stimmung nur realisiert werden, wenn deutlich mehr als 12 Tasten pro Oktave vorhanden sind, wie beispielsweise beim Archicembalo.

Ja, hier wird wieder von ,,der" reinen Stimmung geredet. Gleichzeitig wird aber klar gemacht, daß es nicht ,,das" dis und ,,das" es gibt. Damit auch nicht ,,die" reine Stimmung, die die beiden Töne festlegt.

Das Archicembalo von Vicentino und das ganz ähnliche Clavemusicum omnitonum von Trasuntino haben übrigens beide mehr als 30 Töne pro Oktave.

erich

ZitatEs gibt keine Stimmung von zwölf Tönen, die als ,,die" reine bezeichnet werden kann.

Allerdings

Malte

Dann sind wir uns ja einig ;) Naja, wie gesagt, der wahrscheinlichste Fall, von C-Dur auf die beiden Töne zu kommen ist für es einfach der c-Moll-Dreiklang und für dis die Dominante H-Dur zu e-Moll (Dominantparallele/Tonikagegenklang in C-Dur). Damit ergäbe sich eben die kleine Diesis als dis-es-Intervall, nicht −1,85 ct. Aber natürlich ist das nur eine von vielen möglichen Erklärungen für die beiden Töne und erklärt noch überhaupt nicht, wie man von einer zur anderen zugehörigen Mollskala oder -akkord kommt. Die einfachste Möglichkeit wäre eine Quintfallsequenz von dis nach es, womit sich als dis-es-Intervall das pythagoreische Komma ergibt.

Es gibt also mehrere gleichberechtigte Lösungen, deshalb kann die Variante mit −1,85 ct nicht als Erklärung reichen, daß dis und es als gleich angesehen werden könnten.

Ich bin raus.