Wie könnte man das nennen

Begonnen von erich, Samstag, 29. Juli 2017, 08:34

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harm6

#30
Zitat von: Erichwie sind die Saiten gestimmt?
Sehr gute Frage.
Tabulaturen sind nur dann entschlüsselbar wenn man das Instrument und die Stimmung der Saiten kennt.
Mein Beispiel war für die heutige Gitarre.
Für Vihuela/Renaissancelaute wäre das anders, für Barocklaute und Barockgitarre ergäben sich wiederum jeweils andere Tabulaturen.

Gruß,
  Erich

EDIT
Ich brauch wohl doch noch den ein oder anderen Kaffee.
Merke: Nicht vor dem Frühstück posten

Gruß,
  Harm

Malte

Zitat von: harm6 am Sonntag,  6. August 2017, 10:25
Gruß,
  Erich
?? :D

Grundsätzlich hat Harm (lieber Harm oder harm oder harm6?) aber recht, ich bin mal stillschweigend von einer Gitarre ausgegangen, weil da die Stimmung eine Durtonleiter ergibt. Eine Gambe würd z. B. auch passen, aber eine andere Durtonleiter ergeben. Bei einer Gambe ist die große Terz zwischen 3./4. Saite, nicht zwischen 2./3.

harm6

Zitat
Die Behauptung war:
ZitatHallo, nicht ein Ersatz für Hilfslinien sondern eine Darstellung, welche die Intervalle unmittelbar ablesbar macht im Gegensatzt zur traditionellen.

Unmittelbar steht im Widerspruch dazu, dass erst die enharmonischen Verwechslung dekodiert werden muss.

Hier verkennst Du einen Teil des Problems.
Wenn man als Beispiel Dodekaphonie betrachtet, so ist es dort tatsächlich ohne Bedeutung, ob man z.B. eine übermäßige Quarte c - fis oder verminderte Quinte c - ges hat. fis und ges werden als derselbe Ton betrachtet.
Es ist vielmehr so, daß der in traditioneller Notation sichtbare Unterschied zwischen beiden stört und dem Grundprinzip der Dodekaphonie zuwider läuft.
Insoweit ist das Bestreben eine neue Notation und sogar neue Notennamen zu entwickeln nicht nur verständlich sondern fast schon eine sich aufdrängende Notwendigkeit.

Gruß,
  Harm

P.S.
Persönlich mag ich keine Tabulaturen, habe aber gelernt sie zu lesen, da ich mich mit der Musik die nun mal in dieser Notationsform vorliegt beschäftigen wollte/mußte.
Ich bechäftige mich allerdings selten mit dodekaphoner, etc Musik. Insoweit werde ich Erichs hier vorgestellte Notationsform wohl nicht lernen.
Tatsächlich lehne ich sie sogar ab ;)
Ich widerspreche nur, weil ich denke, daß die Ablehnung nicht aus falschen Gründen erfolgen sollte.
Mein wesentlicher Kritikpunkt: Zuviele Linien.
Es hat auch in traditioneller Notation historische Versuche gegeben mehr als fünf Linien zu verwenden. Es zeigt sich aber, daß die Position der Notenköpfe bei mehr als fünf Linien zu schnell verwechselt werden kann, insbesondere beim vom Blattspiel.
Weniger als fünf Linien führen schnell zu einem Übermaß an Hilfslinien.
Die traditionellen fünf Linien stellen also einen Kompromiß dar, der sich über die Jahrhunderte durchgesetzt hat.

erich

Hallo Malte

Am Tabulatur-Beispiel lässt sich gut aufzeigen,
was eine Darstellung unmittelbar zeigt und was nicht:

Intervalle auf der Saite sind durch Zahlen kodiert.
Um die Stimmung der Saiten zu erkennen, braucht man
zusätzliches Wissen, das nicht dargestellt ist;
beispielsweise, ob es sich um eine Lauten- oder eine
Gitarrenstimmung handelt.

Wenn man die Zusatzinformation hat, dass es sich um eine
Durtonleiter handeln soll, kann man die Stimmung der Saiten (soweit sie
benutzt werden) erschließen - ja, man kann sogar den kleinen Fehler erkennen.

So wie man bei der Tabulatur zusätzlich die Stimmung der Saiten kennen muss,
muss man bei der traditionellen Notenschrift wissen, welche Tonabstände die
Notenlinien haben; im Bassschlüssel hat man andere Abstände als im Violinschlüssel.
Dieses zusätzliche Wissen braucht man bei meiner Notation nicht.

Noch ein Wort zu enharmonischen Verwechslungen (besser wäre der Ausdruck "harmonische Wechsel"): diese sind doch Ausfluß der funktionalen Harmonielehre; deren begrenzte (Erklärungs-) Reichweite ist doch wirklich weitläufig erörtert. Von daher Argumente
gegen andere Notationsformen zu beziehen, halte ich nicht mehr für zeitgemäß.

Gruß
Erich

harm6

#34
Zitat von: Malte[bezogen auf das Tabulaturbeispiel:] Ja, Es-Dur/Dis-Dur.
Tatsächlich läßt die bloße Tabulatur keinerlei Rückschlüsse auf möglicherweise enharmonisch verwechselbare Notennamen zu.
Allerdings waren sich die Komponisten darüber schon im klaren. Kann man deutlich sehen in alten Drucken wenn für Gesang (traditionell) und Saiteninstrument (tabulatur) geschrieben wurde. Es gibt auch Drucke wo man Tabulatur und traditionelle Notation sehen kann.

Tatsächlich ist das Problem der Enharmonik auch der für LilyPond wesentliche Ausschlußgrund einen auf Zahlen basierten Tabulatur-Eingabe-Modus zu haben, der gelegentlich nachgefragt wird.
\tabmode { 1/1 } mit der Bedeutung: 1.Saite, 1.Bund würde nur für Tabulatur funktionieren.
Grundprinzip in LilyPond ist aber das die Eingabemodi in verschiedenen Contexten funktionieren.
Also \new Staff \tabmode { 1/1 } sollte auch zu einem sinnvollen output führen, aber wie soll LilyPond entscheiden ob f oder eis gemeint ist (in Gitarrenstimmung)?

Zwei Ausnahmen fallen mir ad hoc ein.
markup ist ein Eigabemodus, aber natürlich nicht für Musik.
drummode funktioniert tatsächlich (mit sinnvollem output) nur im DrumStaff.
Aber den drummode als Argument dafür herbeizuziehen einen wie oben beschriebene tabmode zu codieren halte ich für nicht stichhaltig, denn im drummode geht es ja nicht um Tonhöhen!
Alle anderen Eingabemodi geben (u.a.) Tonhöhen ein!

Gruß,
  Harm

EDIT
Da hab ich doch glatt \figuremode und \lyricmode vergessen.
Insoweit relativiert sich meine Argumentation oben doch ganz schön...
Allerdings kann man ja aus dem notemode Staff und TabStaff bekommen, ein tabmode könnte das nicht.
Diese Argumentation ist schwächer, trotzdem noch stichhaltig, imho

erich

Hallo Harm

ZitatWenn ich Erich richtig verstanden habe so ist diese Notation, wie auch andere ähnliche, entwickelt worden, um a-tonale, dodekaphone, serielle, etc Kompositionen zu notieren, nicht für Dur/moll-tonale Musik
.

Diese Entgegensetzung halte ich nicht für angebracht. Vielleicht ist nicht bekannt, dass es neben der Schönbergschen Zwölftonmusik auch eine andere Wiener Schule (Hauer/Steinbauer) gibt, die nicht die a-tonale Tonalität propagiert und sich reserviert gegenüber einer Vorstellung von der Emanzipation der Dissonanz verhält. Das Stichwort ist: Klangreihenkompositionslehre.

ZitatVon dieser Notationform eine Dur-Tonleiter schreiben zu lassen geht natürlich. Aber zu erwarten, daß sie in ähnlicher weise lesbar ist wie traditionelle Notenschrift ist schlichtweg verfehlt.

Das vermag ich nicht nachzuvollziehen:
Ich habe ein Leben lang musiziert, singend und als Bläser (Blockflöfe, Oboe, Dulzian, Pommer, Krummhorn, Fagott) ohne die geringste Ahnung von Harmonielehre zu haben, und ich habe sie auch nicht gebraucht, um sauber zu intonieren. Mein Musizierfreund, ein ausgezeichneter Klarinettist ärgerte sich immer über die korrekte Notation, wenn da his und nicht c stand oder eis und nicht f und notierte das immer um, wenn er Geigenstimmen in Klarinettenstimmen umschrieb.

Gruß
Erich

Malte

Zitat von: erich am Sonntag,  6. August 2017, 11:22
Noch ein Wort zu enharmonischen Verwechslungen (besser wäre der Ausdruck "harmonische Wechsel"):
Was ist am Begriff ,,enharmonische Verwechslung" denn falsch, sodaß ,,harmonischer Wechsel" besser sei? Tatsächlich bevorzuge ich den Begriff ,,enharmonische Umdeutung"; ,,harmonischer Wechsel" ist für mich sogar ein schlechterer Begriff, das klingt mehr nach Bewegung von einem Akkord zum nächsten als nach Umdeutung.
Zitatdiese sind doch Ausfluß der funktionalen Harmonielehre; deren begrenzte (Erklärungs-) Reichweite ist doch wirklich weitläufig erörtert. Von daher Argumente gegen andere Notationsformen zu beziehen, halte ich nicht mehr für zeitgemäß.
,,Begrenzte Reichweite" heißt nicht, daß sie nichts erklären könne, sondern daß sie nicht alles erklären kann. Und es nicht zu bestreiten, daß eine enharmonische Umdeutung immer etwas besonderes ist, egal wie man sie jetzt erklärt. Tatsächlich hat sie aber auch Auswirkungen auf die Musiker: Man muß sich überlegen, was die enharmonische Umdeutung für die Intonation bedeutet. Klar, für Mediantik und ähnliches ist die Riemannsche Funktionstheorie nur begrenzt einsetzbar: Man kann vieles benennen, aber ob es sich noch um eine Erklärung handelt, ist fraglich. Aber gerade für mein vielzitiertes Beispiel des übermäßigen Quintsextakkords gibt es genug Beispiele in der klassischen Musik, die sonst noch ziemlich gut per Funktionstheorie erklärbar ist; ebenso für den verminderten Septakkord.

Malte

Zitat von: erich am Sonntag,  6. August 2017, 11:58
Das vermag ich nicht nachzuvollziehen:
Ich habe ein Leben lang musiziert, singend und als Bläser (Blockflöfe, Oboe, Dulzian, Pommer, Krummhorn, Fagott) ohne die geringste Ahnung von Harmonielehre zu haben, und ich habe sie auch nicht gebraucht, um sauber zu intonieren. Mein Musizierfreund, ein ausgezeichneter Klarinettist ärgerte sich immer über die korrekte Notation, wenn da his und nicht c stand oder eis und nicht f und notierte das immer um, wenn er Geigenstimmen in Klarinettenstimmen umschrieb.
Klar braucht man zum sauberen Intonieren zunächst mal ein gutes Gehör. Aber gerade auf Blockflöte etc. sollte dir klar sein, daß ein as i. d. R. höher ist als ein gis, weshalb klar ist, warum man korrekt notieren will. Man kann im Ensemble schon as zu E-Dur spielen, hörend merken, daß das nicht stimmt und nach unten korrigieren, aber ist doch schön, wenn das gar nicht erst nötig ist.

Und was deinen Klarinettisten angeht: einen Musiker, der viel in verschiedenen Tonarten gespielt hat, bringt ein c in cis-Moll eher raus als ein his. Falls du jetzt aber meinst, daß er für A-Klarinette aus einem f-Moll-Stück kein as-Moll-, sondern ein gis-Moll-Stück macht: Das ist absolut üblich und hat mit enharmonischer Verwechslung nichts zu tun.

harm6

#38
Zitat von: ErichVielleicht ist nicht bekannt, dass es neben der Schönbergschen Zwölftonmusik auch eine andere Wiener Schule (Hauer/Steinbauer) gibt, die nicht die a-tonale Tonalität propagiert und sich reserviert gegenüber einer Vorstellung von der Emanzipation der Dissonanz verhält. Das Stichwort ist: Klangreihenkompositionslehre.
Kenn ich nicht (gut genug), um da was sinnvolles sagen zu können.

Zitat von: ErichIch habe ein Leben lang musiziert, singend und als Bläser (Blockflöfe, Oboe, Dulzian, Pommer, Krummhorn, Fagott) ohne die geringste Ahnung von Harmonielehre zu haben, und ich habe sie auch nicht gebraucht, um sauber zu intonieren.
Das ist Intonation nach Gehör, wie soll es denn sonst funktionieren? ;)
Harmonielehre und die Kenntnis von Stimmungssystemen wie z.B. rein, pythagoräisch, mitteltönig (welche genau? es gibt so viele), temperiert liefert den theoretischen Unterbau. Mir hilfts mitunter.

Zitat von: ErichMein Musizierfreund, ein ausgezeichneter Klarinettist ärgerte sich immer über die korrekte Notation, wenn da his und nicht c stand oder eis und nicht f und notierte das immer um, wenn er Geigenstimmen in Klarinettenstimmen umschrieb.
Hier widerspreche ich auf das heftigste, soweit es um dur-moll-tonale Musik geht.
Ein Akkord <gis c' dis'> ist schlichtweg falsch. Es handelt sich um einen Akkord mit tief alteriertem Quart-Vorhalt. Was bitte schön soll das denn sein??

Das ist mir einst begegnet in einer gedruckten Ausgabe. Nicht nur habe ich mich direkt verspielt, sondern ich hab mir den Verlag gemerkt und jedem Schüler abgeraten jemals wieder eine Ausgabe aus diesem Verlag zu erwerben!
Mittlerweile habe ich allerdings kaum noch Schüler die einen solchen Akkord spielen könnten, G8 sei dank :(
Aber das ist ein anderes Thema, da kommt mir nur wieder die Galle hoch.
Insoweit hab' ich den Namen dieses Fritten-Verlags glücklich vergessen.

Gruß,
  Harm



erich

Hallo Malte, hallo Harm!

Zitat von: Erich
ZitatIch habe ein Leben lang musiziert, singend und als Bläser (Blockflöfe, Oboe, Dulzian, Pommer, Krummhorn, Fagott) ohne die geringste Ahnung von Harmonielehre zu haben, und ich habe sie auch nicht gebraucht, um sauber zu intonieren.
Zitat von Malte:
ZitatKlar braucht man zum sauberen Intonieren zunächst mal ein gutes Gehör.

Zitat von Harm:
ZitatDas ist Intonation nach Gehör, wie soll es denn sonst funktionieren? ;

Es handelt sich aber nicht um ein bloßes Hinhören sondern um eine Tonvorstellung also um ein Wissen, das dem Hören vorausgeht. Und was ist hier das Regulativ für zu-hoch oder zu-tief? Woher nehmen wir die Gewissheit, richtig zu intonieren?

Klar, ich weiß auch, dass es manchmal Kontexte im Zusammenspiel oder -singen gibt, aus dem sich ein zu-hoch oder zu-tief ergeben kann im Vergleich zur antizipierten Intonation, das ist aber eher selten der Fall, und würde mich wohl durch die Notation nicht davor bewahren.

freundliche Grüße
Erich

ingmar

Das sind Fragen der Orthographie! Natürlich kann man "Hauppossamp" mit drei p schreiben, oder "Azwenzkranz" mit drei z. Will man aber verstanden werden und nicht als Depp dastehen, schreibt man so, wie es üblich ist. Und die Schrift bildet in fast allen Sprachen eben nicht nur Phonetik ab, sondern auch Etymologie, das ist in der musikalischen Schrift nicht anders.

Übrigens ist es offenbar eine absolut Klarinetten-spezifische Tradition, Vorzeichen möglichst vermeiden zu wollen und stattdessen lieber das Instrument zu wechseln. Aber trotzdem ist ein Dreiklang <gis c dis> orthographisch falsch, auch wenn man ihn "verstehen" kann, und auch, wenn der Spieler des c nach zwei Proben wohl richtig intonieren wird, ohne viel darüber nachzudenken.

Deine Schrift könnte nützlich sein in einem Umfeld, wo Musik nicht aus Intervallen, sondern aus Tönen komponiert wird, also in gewissen (wahrscheinlich eher engen) Bereichen der Neuen Musik. Für Edgar Varèse oder viele Werke von Iannis Xenakis könnte das passen. Allerdings werden dort meist doch sehr weitgespannte Intervalle verwendet, wo genau das zum Problem werden wird, was Harm kritisiert: Der enge Tonumfang. Ich hatte daher schon einmal auf Equiton verwiesen, was in den Siebziger Jahren vorgeschlagen wurde, sich allerdings auch nicht durchgesetzt hat. Das macht natürlich nichts, du solltest die Schrift entwickeln, die für dich und deine Musik die passende ist...

--ingmar